Weihnachten mal anders – Heilige Geschenke

Caspar, Melchior und Balthasar wurden unruhig. Seit Stunden schon überlegten sie, was sie dem Königskind am Ende ihrer Reise überreichen sollten. Was schenkte man einem so kleinen Wesen, das schon alles besaß?

Im Newsfeed des „Stern“ hatten sie gelesen, dass es schon bald soweit sein würde, und das heilige Kind das Licht der Welt erblicken würde. Da gehörte es zum guten Ton, nicht mit leeren Händen am Babybett zu stehen. Doch die Zeit rannte. Wollten sie noch pünktlich sein, was eine Reise mit der Bahn schon mal ausschloss, mussten sie sich zeitnah auf den Weg begeben.

„Gott wird Mensch“, philosophierte Caspar vor sich hin. „Ich brauche irgendwas, das sowohl göttlich als auch menschlich ist. Vielleicht ein Purpurgewand… das Kind würde nicht frieren und wäre elegant gehüllt. Schwierig wird es nur, in so kurzer Zeit noch einen Schneider aufzutreiben, der der Fertigung eines Königsgewand würdig ist. Gerade an einem Freitag Vormittag. Ich könnte es auch noch auf den Basar schaffen und eine Vielfalt an getrockneten Früchten besorgen. Die Feigen bei Amon sind zur Zeit einfach sagenhaft. Ein Kätzchen als Spielgefährte wäre aber auch nicht verkehrt. Wie oft hab ich schon von einsamen Königskindern gelesen, die im großen Palast keine Spielgefährten finden… Dabei kann es natürlich noch immer passieren, dass Gottes Sohn eine Katzenhaarallergie hat, und somit auch keine Freude an dem Tier. Mensch, Mensch, Mensch… Natürlich! Mensch sein! Ich bring ihm Mhyrre.“

Unweit von Caspars Kopfzerbrechen wusste auch Melchior noch immer nicht sicher, was er dem Neugeborenen nun vorlegen sollte.

„Schauen wir doch mal was die Ideen-Liste so hergibt. Da wären Samen für einen Lebensbaum. Apfel vielleicht, oder Birne. Oder doch etwas anderes? So ein Baum braucht so lang, um zu wachsen. Wer weiß ob ich die Dankbarkeit dann überhaupt noch ernten kann. Mit etwas Glück erreiche ich Erik, den Schmied noch, damit er eine Storchenfigur schmieden kann. Die kündigt das Kind an fast wie der „Stern“, nur ohne redaktionelle Zensur. Oder ich bringe einen Wagen ausgewählter Getränke, sodass wir eine ausgelassene Feier für das Königskind ausrichten können. Das wäre ein prächtiges Fest mit Freunden, Nachbarn und der gesamten Gemeinde… Allerdings vielleicht auch ein wenig viel für das kleine Wesen, selbst als Kind Gottes. Ich denke dann macht sich eine Finanzierungshilfe für spätere Feierlichkeiten sicher besser. Treuhandfond, Aktien, Bausparvertrag… alles nicht sehr königlich. Ich brauch was kostbareres… sowas wie Gold!“

Mit der Entscheidung von Caspar und Melchior stieg der Druck auf Balthasar. Er hatte sich noch immer nicht entschieden, was er denn dem kleinen Kind schenken sollte.
„Die Familie wird dem Kind und seiner Mutter schon einen guten Einstieg in das Leben bieten. Ich könnte mir vorstellen schon roten Reis, Fisch und eingelegtes Gemüse für das Babymahl in 100 Tagen zu überreichen, allerdings hatte Caspar auch schon mal etwas mit Früchten fallen lassen. Irgendwas wird ihn wohl davon überzeugt haben, keine Lebensmittel zu überbringen. Von der Verderblichkeit mal abgesehen. Eine Schlitzhose, vielleicht aus Samt, wäre wohl auch noch immer nicht würdig genug. Es kann doch nicht so schwer sein, für ein solches Kind etwas Königliches zu finden. Caspar und Melchior haben es sich mit Mhyrre und Gold ja einfach gemacht. Ich muss das toppen können und etwas einfach Göttliches finden. Oh Gott! Da hätte ich auch gleich drauf kommen können. Weihrauch bekommt das Königskind!“

Voll gepackt machten sich die drei nun mit den Gaben, auf den Weg nach Bethlehem. Trotz ein paar Auseinandersetzungen über die Navigation, wie das Befahren der mittleren Fahrbahn in der vierspurigen Abfahrt, oder das „leicht links Abbiegen“ im Kreisel, trafen sie rechtzeitig in Bethlehem ein.
„Ihr Ziel befindet sich in 20m auf der rechten Seite“, ließ eine Stimme verlauten. Melchior sah sich verwundert um. Es war weder ein Palast, noch ein Palace-Hotel zu sehen. Lediglich ein paar alte Bauernhäusern und ein Stall inmitten eines Feldes lagen vor ihnen.

„Das muss es sein“, verkündete Caspar und deutete auf das alte, morsche Holzgebilde.

„Vielleicht haben sie eine Kutsche in diesem Stall positioniert, die uns in die königlichen Gefilde bringt“, überlegte Balthasar laut.

Doch er täuschte sich. Hinter der schweren, grünen Holztür fanden sie es, das Kind Gottes, in Windeln gewickelt in einer Krippe liegend.

Und als sie das seelig schlafende Kind betrachteten, hatten alle drei den selben Gedanken: „Hätte ich doch nur ein anderes Geschenk gewählt!“ ©RMH

Kleine Wunden

Denn wir stoßen Menschen von uns weg, bevor sie uns zu wichtig werden können, damit wir es in der Hand behalten. Somit sorgen wir nur für eine kleine Wunde, an der wir selbst Schuld sind, aus Angst, dass diese Menschen ganze Körperteile mit sich reißen, wenn sie von allein gehen.

Ein Selbstschutz, der uns nur selbst zerstört? ©RMH